Erster VW-Kunde gewinnt vor Gericht
Verbraucher kann Auto an Autohändler zurückgeben. Ärger bei Fiat: Nun wird auch gegen die Italiener ermittelt.
Können VW-Kunden doch darauf hoffen, ihre manipulierten Dieselautos los zu werden? Hoffnung macht ein neues Urteil des Landgerichts München, das an diesem Wochenende bekannt wurde. Das Gericht verurteilte einen Autohändler dazu, den Seat Ibiza mit 1,6-Liter-Motor zurückzunehmen und den Klägern, einem Ehepaar aus München, den Kaufpreis zu erstatten. Es ist das erste Urteil dieser Art im VW-Abgasskandal. Alle anderen Gerichte hatten zuvor einen Gewährleistungsanspruch des Kunden gegen den Verkäufer abgelehnt.
Nach Angaben von VW haben bisher acht unterschiedliche Landgerichte die Klagen der Autobesitzer zurückgewiesen, darunter auch im März das Landgericht Bochum. Das hatte zwar die Abgasmanipulation am "Tiguan" als Mangel eingestuft, dennoch eine Rückabwicklung des Vertrags durch den Autohändler abgelehnt. Der Mangel sei durch die elektronische Nachrüstung relativ günstig zu beheben, die Mängelbeseitigung liege unter der Bagatellgrenze von einem Prozent des Kaufpreises, hatten die Bochumer Richter entschieden.
Der Kläger, ein Uniprofessor, hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Berufung will aber auch der Münchner Autohändler gegen das verbraucherfreundliche Urteil des Landgerichts einlegen - mit Unterstützung von Volkswagen, wie der Konzern am Wochenende durchblicken ließ.
Klagen sind schwierig
Damit bleibt die Rechtslage unübersichtlich. Klagen gegen die Autohändler sind schwierig, weil die Softwareumstellung nach wenigen Minuten erledigt ist und die Händler von dem Betrug genauso wenig wussten, wie die Verbraucher, sagt Christopher Rother, der zusammen mit seinem US-Partner Michael Hausfeld VW-Kunden vertritt und derzeit Betroffene für eine Schadensersatzklage gegen den Konzern sammelt. Am Landgericht Braunschweig sind bislang 46 Klagen von Autobesitzern anhängig - mit unterschiedlichen Klagegegnern. Einige Klagen richten sich gegen den jeweiligen Verkäufer des Fahrzeugs auf Rückabwicklung, andere gegen den VW-Konzern auf Schadensersatz wegen der möglichen Wertminderung des manipulierten Dieselfahrzeugs.
Auch Fiat soll manipuliert haben
Der Abgasskandal, der mit VW begonnen hat, weitet sich unterdessen aus. Im Fokus steht jetzt auch der italienische Autobauer Fiat Chrysler. Nach Informationen der "Bild am Sonntag" soll auch der Konzern bei Abgastests mit einer illegalen Software betrogen haben.
Die Zeitung beruft sich auf einen vertraulichen Prüfbericht des Kraftfahrtbundesamts (KBA). Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums sagte am Sonntag, der Bericht sei bereits an die EU-Kommission und die italienische Zulassungsbehörde verschickt worden.
Die Behörden seien aufgefordert worden, gegen Fiat vorzugehen.
Abschaltung nach 22 Minuten
Nach Angaben des KBA soll der Autozulieferer Bosch die Behörde darüber informiert haben, dass Fiat-Diesel der besonders umweltfreundlichen Euro-Norm 6 Software und Applikationen verwenden, die "möglicherweise nicht gesetzeskonform seien". Prüfungen des KBA haben diesen Verdacht nun angeblich bestätigt. Die Abgasreinigung schalte sich jeweils nach 22 Minuten vollständig ab, Abgastests dauern im Schnitt 20 Minuten. Damit sei ein "hinreichender Verdacht einer unzulässigen Abschalteinrichtung" erbracht, soll es im KBA-Bericht heißen.
Dürfen die Fiat-Modelle bald nicht mehr fahren?Fiat drohen nun ernsthafte Konsequenzen. Das Bundesverkehrsministerium schließt nicht aus, dem Konzern bei einer bestätigten dauerhaften Missachtung von Abgaswerten den Autoverkauf in Deutschland zu untersagen, im schlimmsten Fall drohe der "Verlust der Typenzulassungsgenehmigung". Dann dürften die betroffenen Modell nicht mehr auf deutschen Straßen fahren.
Zwischen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Fiat herrscht ohnedies dicke Luft. Das Unternehmen hatte am Donnerstag einen Termin im Ministerium wegen des Abgasskandals "kurzfristig per Anwaltsschreiben" abgesagt. Fiat hatte darin mitgeteilt, dass nicht die deutschen, sondern nur die italienischen Behörden für die Frage zuständig seien, ob Fiat-Modelle die europarechtlichen Abgasvorschriften einhält. (dpa)
[tagesspiegel.de]
Klagen sind schwierig, da die Rechtslage unübersichtlich ist! Bleibt nun alles an den Kunden hängen? Der Händler wusste nichts von der Manipulation, der Kunde aber schon gar nicht!